Das Schwierigste ist immer, Mobbing rechtzeitig zu erkennen, denn je frühzeitiger man eingreift, desto größer sind die Chancen. Dies ist allerdings alles andere als einfach:
So erzählt nicht jedes Kind zu Hause alles und selbst wenn es dies tut, ist nicht jeder Streit (sei er auch langwieriger Art) Mobbing.
Andererseits werden seitens der Schulen Dinge heruntergespielt, so dass Mobbing in der Schule oftmals auch dann vorliegt, wenn es seitens der Schule heißt, man solle Dinge nicht überbewerten...
Im schulischen Bereich zeigt sich oftmals folgendes Stufenschema, an dem man sich gut orientieren kann, ob schon Mobbing vorliegt und wenn ja, in welchem Stadium man sich gerade befindet:
Erste Stufe - Ignorieren:
Das Mobbingopfer wird ignoriert, so dass es im Klassenverband zusehends den Rückhalt verliert.
Dies ist sicherlich der „Klassiker“ und befindet sich noch am ehesten in dem Grenzbereich, bei dem Lehrer gerne darauf hinweisen, dass man ja niemanden dazu zwingen kann, mit jemand anderem befreundet zu sein etc.
Der Übergang mag hier im Einzelfall tatsächlich fließend sein. Im Regelfall sind Mobbingfälle aber durchaus eindeutig abzugrenzen, sobald es nicht nur darum geht, dass man jemand anderen seltsam oder unsympathisch findet und sich deshalb distanziert, sondern noch hinzukommt, dass zielgerichtet alle Kontakte rigoros abgebrochen werden und dies öffentlich zur Schau gestellt wird.
So wird man beispielsweise auch einem Schüler, den man nicht leiden kann, im Schulalltag zumindest normal begegnen. Wer demgegenüber ganz offen Mitschüler nicht grüßt, auf Fragen nicht oder nur einsilbig antwortet oder sich in einer Gruppe offen nur den anderen Mitschülern zuwendet, der wird dies nicht mehr „als normal“ darstellen können.
Zweite Stufe - Lästern innerhalb der Mobbinggruppe:
Die nächste Stufe geht noch einen Schritt weiter, weil andere direkt eingebunden werden:
Über das Mobbingopfer wird gelästert, was Aussehen, Kleidung, Verhalten usw. anbelangt. In dieser Eskalationsstufe geschieht dies noch ohne das Mobbingopfer, d.h. es wird über das Opfer geredet, aber noch nicht direkt mit dem Opfer.
Auch dies wird in Schulen gerne als „normales“ Teenagerverhalten dargestellt, weil man sich mit anderen vergleicht.
Insbesondere bei vorpubertierenden oder pubertierenden Schülern sei dies ja keineswegs unüblich.
Geschieht dieses Vergleichen allerdings dauerhaft abwertend, bezieht dabei gezielt Mitschüler oder sonstige Dritte mit ein und richtet sich immer wieder gegen eine bestimmte Person, so sind die Grenzen zum Mobbing sicher überschritten.
Dies sind vor allem Konstellationen, bei denen zusehends alles in Frage gestellt wird bis das Mobbingopfer nicht mehr weiß, wie es sich verhalten soll: Jedes Kleidungsstück wird zumindest gemustert, das Mobbingopfer wird nachgeäfft usw.
Dritte Stufe - Einbeziehung der Mitschüler:
Besonders problematisch wird es, sobald das Mobbingopfer direkt in der Öffentlichkeit (also vor Mitschülern) angegangen wird.
Hierbei erleichtern neue technische Möglichkeiten wie WhatsApp-Gruppen, Instagram, Snapchat usw. dies ungemein, da nicht einmal mehr ein direkter Kontakt erforderlich ist. Der „Schreibtischtäter“, der sich gar nicht in eine direkte Konfrontation mit dem Mobbingopfer wagen würde, hat hier ganz neue Möglichkeiten.
Die Abgrenzung zu „normalen“ Verhaltensweisen ist in diesem Stadium meist schon sehr eindeutig:
Wenn das Mobbingopfer zur Gruppe zitiert wird, um es „zur Rede zu stellen“.
Wenn die Mobber (laut über das Mobbingopfer redend) hinter dem Mobbingopfer herlaufen.
Wenn das Mobbingopfer zu einer WhatsApp-Gruppe hinzugefügt wird, um es dort „in aller Ruhe“ herabzusetzen.
Ungeachtet dessen habe ich selbst schon bei solch eindeutigen Konstellationen den Einwand gehört, das Mobbingopfer habe den Streit mit der Gruppe „gesucht“ oder das Mobbingopfer habe einen der Mobber angegriffen, so dass seine 3 Freunde (die freilich alle bereits für sich stärker als das Mobbingopfer waren) ihm zur Hilfe kommen mussten…
Vierte Stufe - Beseitigung der Rückzugsmöglichkeiten:
Spätestens in diesem Stadium reicht es den Mobbern meist auch nicht mehr, das Opfer direkt anzugehen, sondern es wird versucht, letzte Rückzugsmöglichkeiten des Opfers zu beseitigen: D.h. es werden gezielt die Mitschüler angegangen, die bisher noch nicht als Mitläufer ohnehin schon mitgemacht haben.
Hierzu werden Gerüchte über das Mobbingopfer verbreitet und es wird vor allem versucht, einen Keil zwischen dem Mobbingopfer und dessen verbliebenen Freunden zu treiben.
Häufig geschieht dies dadurch, dass behauptet wird, das Mobbingopfer würde schlecht über seine Freunde reden, diese nur ausnutzen usw. Obwohl diese Form von Mobbing eigentlich bei den Adressaten der Gerüchte bekannt sein sollte, funktioniert dies nach wie vor erstaunlich gut.
Insgesamt ist zu konstatieren, dass die Mobber wenig Phantasie aufwenden, wenn es darum geht, „etwas zu finden“: Eine weitverbreitete Methode ist es beispielsweise dem Mobbingopfer genau das zu unterstellen, womit man bereits selbst in der Vergangenheit konfrontiert wurde:
Wurde der Mobber beispielsweise des Diebstahls beschuldigt, so heißt es plötzlich, das Mobbingopfer habe einen Stift weggenommen.
Gab es in der Vergangenheit bereits einen Mobbingfall in der Klasse, wird das Gerücht gestreut, das Mobbingopfer habe damals in tragender Funktion mitgewirkt.
Geht der Mobber im Sportunterricht robust um, heißt es plötzlich, das Mobbingopfer verhalte sich unfair, habe getreten usw.
Ich habe schon Fälle erlebt, bei denen die Täter kurzerhand einfach alles umdrehten - dies ging mitunter so weit, dass genau das, worüber das Mobbingopfer sich an demselben Tag seinerseits beklagte, kurzerhand dem Mobbingopfer selbst unterstellt wurde!
Fünfte Stufe - Keine Grenzen mehr:
Und von diesem Stadium ab sind im Grunde alle Eskalationsstufen denkbar, zumal es im menschlichen Naturell liegt, einmal überschrittene Grenzen immer wieder zu überschreiten…
Dies reicht von physischer Gewalt bis zur Zerstörung der psychischen Existenz des Mobbingopfers.
Hierbei dringen die Mobber immer tiefer in den Privatbereich des Opfers ein, was durch neue technische Möglichkeiten freilich deutlich erleichtert wird:
Ganz früher war man noch auf die direkte Konfrontation in der Schule angewiesen bzw. musste zu dem Mobbingopfer nach Hause gehen, oder dieses abpassen.
Durch die Verbreitung von Telefonen wurde der zeitliche und räumliche Zugriffsbereich deutlich erweitert: Das Telefon ließ auch einen Zugriff von zu Hause aus zu („Telefonterror“). Grenzen bestanden allerdings darin, wenn die Eltern des Mobbingopfers zu Hause waren. Dann konnte man schlecht anrufen, so dass zumindest abends und am Wochenende meist Ruhe war.
Die Verbreitung von Handys eröffnete diesbezüglich neue Möglichkeiten, da man auch außerhalb des Familientelefons an das Opfer herantreten konnte. Dies setzte allerdings voraus, dass das Mobbingopfer ein Handy besaß und es dauerte auch eine ganze Weile, bis Handys und die Tarife für jeden einigermaßen erschwinglich waren.
Aktuell gibt es im Zeitalter der Smartphones kaum noch Grenzen: Fast jeder Schüler verfügt über ein Smartphone, fast alle sind zu Hause über WLan im Internet eingeloggt. Man kann also quasi rund um die Uhr mit dem Mobbingopfer in Kontakt treten oder über öffentliche Foren das Mobbingopfer verächtlich machen. Zudem sind wir hier in dem bereits beschriebenen Bereich angelangt, dass man nicht einmal zum Hörer greifen und sich ggf. überwinden muss, anzurufen. Die Täter sitzen gemütlich mit ihren Smartphones beisammen, schauen Fernsehen, machen Hausaufgaben – und quasi „nebenbei“ wird gemobbt…
Diese Entwicklung hat auf Opferseite zu einer deutlichen Verschlechterung der Situation geführt, da man vor den Mobbern keine Ruhe mehr hat. Im Grunde kann jeden Moment etwas passieren:
Selbst wenn man WhatsApp, Facebook usw. jemand blockiert hat, lassen es sich Mobber häufig nicht nehmen, dann eben SMS zu versenden, mit unterdrückter Nummer anzurufen, von anderem Telefon anzurufen usw. Und selbst wenn man ständig die Handynummern erneuern würde, ist es kein Problem, diese über Dritte zu erfahren.
Und auch ohne direkte Kommunikation bestehen keine Grenzen: Dann „kommentieren“ Mobber eben auf dem Facebook-Beiträgen von Freunden des Mobbingopfers, veröffentlichen YouTube-Videos usw.
Es ist sogar verstärkt die Tendenz zu beobachten, dass dies selbst bei einem Schulwechsel nicht von alleine aufhört. Häufig lassen Mobber selbst nicht einmal dann mehr von ihrem Mobbingopfer ab und drangsalieren weiterhin – bis sie vielleicht einen Ersatz finden. Oftmals geht es aber um Ego-Probleme oder das Bedürfnis alles und jeden „beherrschen“ zu wollen und dann wird ein Ende nie erreicht…
Kontakt zu uns
Anwaltskanzlei Zoller
Kehlweg 24
69198 Schriesheim
(Umzug von Edingen-Neckarhausen nach Schreisheim, alles andere bleibt wie gehabt)